Für viele
Experten kam es noch schlimmer als erwartet. Die
Plünderung der Museen, Universitäten und
Bibliotheken im Irak übertraf selbst vorher
geschilderte Szenarien. Alle kulturellen Schätze
sind verschwunden und keiner weiss, ob sie nicht
auch zerstört wurden. Die 5000 Jahre alte "Vase
von Uruk" ebenso wie die "Harfe von Ur". In
wenigen Tagen und Nächten wurde archäologische
Arbeit vernichtet und die Chancen für die
Übersetzung0 Jahrtausende alter Dokumente
eliminiert.
Es hätte nicht dazu kommen
müssen, sagt Martin Sullivan, ex-Vorsitzender des
"Kulturgüter-Ausschuss", der direkt US-Präsident
Mr.Bush berät. Mr. Sullivan ist diese Woche
(17.April) aus Protest gegen den nicht
ausreichenden Schutz der US-Truppen
zurückgetreten. Mit ihm legte auch Mr. Gary Vikan
sein Amt als Auschussmitglied nieder und sagte:
"Offensichtlich kennen wir den Wert von Öl, aber
sicherlich nicht den Wert von Kultur." Mr.
Sullivan warf der amerikanischen Führung indirekt
Versagen beim Schutz der irakischen Kulturgüter
vor. "Bei dieser Art von Angriffskrieg
("pre-emptive war") hätte man das mit einplanen
müssen." Ausserdem wurde dem Auschuss vor dem
Krieg zugesichert, dass das Militär dem Schutz der
Kulturgüter eine hohe Priorität einräumen
wird....
Zwar weist das
Verteidigungsministerium jede Schuldzuweisung
zurück, doch viele Experten sind sich einig, dass
die Zerstörung von vielen Artifakten, die dem
"Weltkulturerbe" zugerechnet werden, nicht hätte
geschehen dürfen. Eine Sicherung der bekannten
Gebäude hätte mit der gleichen Schnelligkeit und
Effizienz wie bei der Sicherung der Ölfelder
erfolgen können. Anders als bei der Zerstörung der
Buddha-Statuen von Bamiyan (Afghanistan) durch die
Taliban trägt in diesem Fall der "Befreier" also
mindestens eine Mitverantwortung.
Als
Konsequenz reden einige Kulturmanager und Experten
in den USA bereits von der "Notwendigkeit, die
Perspektive zu verändern", was bedeutet, innerhalb
der USA verstärkt für Weltkultur Lobbyarbeit zu
machen.
Kultur hat einen schwierigen Stand
in den USA. Trotz herausragender Institutionen wie
z.B. das Smithsonian Institute in Washington,
D.C., (www.smithsonian.org), trotz etablierter
Fundraisingstrukturen und -methoden und trotz
funktionierender Kultur fördender Stiftungen und
Fonds, legt die generelle Politik immer die
Masstäbe der Unterhaltungsindustrie an. Broadway
und Hollywood sind ein direktes Produkt dieser
Haltung - die auch wiedergespiegelt wird in der
bekannten Klage alter Jazz-Legenden, dass sie in
Europa "mit Respekt" behandelt werden, während sie
in den USA längst vergessen sind.
Wenn neue
Rekordbudgets für das Pentagon bereitgestellt
werden, streichen die Behörden auch die noch
existierenden dürftigen Kulturprogramme weiter
zusammen. Das bedeutet eine verstärkte
Notwendigkeit für Fundraising, Lobbying, Grassroot
Marketing und jegliche andere Arbeit, die das
Überleben in Zeiten ausgetrockneter öffentlicher
Gelder sichert. Verstärkter Widerstand ist überall
zu spüren - wie z.B. der momentane landesweite
Protest über die drohende Schliesssung vieler
Stadtbibliotheken - jedoch bereiten sich schon
einige Kulturmanager auf die Zeit "nach Bush" vor,
wenn "wir hoffentlich wieder normal arbeiten
können" und der "Wert der Kultur" in den USA
wieder neu entdeckt wird.
Anmerkung: Ein
Beitrag von Wigbert Böll, Korrespondent, New York,
Email: boell@kulturmanagement.net
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